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Sonntag, 19. Mai 2024

[REZENSION] Die Wölfin | Sachbuch

Titel: Die Wölfin | Autor: Nate Blakeslee
Verlag: Blessing Verlag | Seitenanzahl: 384 Seiten 
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Inhaltsangabe


 Der Yellowstone-Nationalpark ist ein Paradies für Wölfe – und das Mekka all jener, die sie beobachten und verstehen wollen. Hier lassen sich die Raubtiere so gut studieren wie nirgends sonst auf der Welt. Nate Blakeslee porträtiert in seinem packenden Buch eine außergewöhnliche Fähe, die sich dank ihrer Schlauheit und Ausdauer, ihres Durchsetzungsvermögens und entbehrungsreichen Kämpfens für ihre Nachkommen zur Leitwölfin des Lamar-Valley-Rudels entwickelte – „O-Six“, benannt nach ihrem Geburtsjahr 2006. Tragischerweise schützte ihr legendärer Ruf O-Six nicht davor, von einem Jäger knapp außerhalb des Schutzgebiets erlegt zu werden.

Eine minutiös recherchierte Betrachtung nicht nur des sagenhaften Wesens Wolf, sondern auch unserer Zerrissenheit angesichts dieses Tiers, das wie kaum ein anderes unsere Obsession mit und Urängste vor der Wildheit der Natur hervorbringt.

(Quelle: Blessing Verlag)


Meine Meinung


Ein Buch, welches den Leser zur Natur zurückbringt


Wer dieses Buch zur Hand nimmt und sich die Inhaltsangabe durchliest, ist zunächst geschockt, weil man darin bereits erfährt, wie diese Geschichte um die bekannteste Wölfin des Yellowstone Nationalparks endet. Ich habe mich zunächst geärgert, dass ich diese Information bereits vor dem Lesestart hatte. Auf weite Sicht war es okay, denn diese Geschichte hat mich emotional ganz schön berührt und somit war ich auf dieses Ende einfach von vornherein vorbereitet.

Aber zunächst einen ganz großen Schritt zurück...

Der Autor Nate Blakeslee nimmt die Leser seines Buches mit in die USA, genauer gesagt auf eine Reise in den ältesten Nationalpark Amerikas, welcher bereits 1872 gegründet wurde: der Yellowstone- Nationalpark, welcher nach dem größten Fluss im Park, dem Yellowstone River, benannt wurde. Mit seiner Fläche von 8987 km² liegt er zu 96% im Bundesstaat Wyoming, zu 3% im Bundesstaat Montana und zu 1% im Bundesstaat Idaho. Ich habe mich noch nie mit diesem Park auseinandergesetzt, könnte mir nach dem Lesen dieses Buch allerdings einen großen Bildband auf meinem Schoß sehr gut vorstellen.

1995 traf die Regierung die Entscheidung wieder Wölfe im Park anzusiedeln.
Unter ihnen das Pärchen 10M und 9W, wobei das M hier für männlich und das W für weiblich steht. In der englischen Literatur werden weibliche Wölfe meist mit F betitelt, was für female steht. Dieses Paar paarte sich bereits vor dem Verlassen des Geheges in die Wildnis. Leider wurde bereits einer der beiden nur einen Monat nach der Öffnung des Geheges erschossen. Dennoch konnten die Biologen den Start des "Wolf Project" als positiv betrachten. 

"Im Winter 2033 waren die fünfzehn Wölfe, die man 1995 angesiedelt hatte, sowie weitere siebzehn, die ein Jahr später dazugekommen waren, zu einer Population von 174 angewachsen. Diese bestand aus vierzehn Rudeln, die sich auf den gesamten Part verteilten." (S. 45)

Diesen Textausschnitt möchte ich mit euch teilen, damit man einen Überblick hat, wie diese ganze Geschichte ihren Beginn nahm.

21 M und 42 W ❤
© Kim Kaiser


Neben den Wölfen stehen auch einige Menschen in dieser Geschichte im Mittelpunkt, an vorderster Stelle der Nationalpark- Ranger und Autor Rick McIntyre, welcher die Wölfe fünfundzwanzig Jahre im Yellowstone beobachtet hat und die Öffentlichkeit mit seinem Wissen über die Wölfe aufgeklärt hat. Und da er der Autor der preisgekrönten Buchreihe "Alpha Wolves of Yellowstone" ist, werde ich diesen Mann noch im Auge behalten. 
Hier werde ich wohl nach Jahren mal wieder auf englische Literatur zurückgreifen müssen, da diese Reihe leider nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Aber ich ahne, dass hinter den Büchern ganz großes Kino steckt. Seine große Leidenschaft begann mit dem männlichen Wolf 21, welcher ein Nachkomme von Wolf 10M und 9W war.
Später dokumentierte er eine große Liebesgeschichte zwischen 21M und 42W.
Diese Geschichte brach das erste Mal mein Herz. So eindringlich, nahe und verständlich erklärt, habe ich seitdem sehr viel über diese beiden Leitwölfe, welche das bekannte Druid- Peak- Rudel bildeten, gelesen.

Bevor ich zur Wölfin komme, die den Hauptteil des Buches einnimmt, möchte ich auf die Buchseite 121 verweisen. Eine Buchseite, die mich erstmals zum Nachdenken gebracht hat und nach der ich das Buch erst einmal für ein paar Tage zur Seite legen musste.
Auf dieser Seite paarten sich vier Textstellen, die grundlegendes aussagen und gleichzeitig so traurig sind. Lest selbst.

"Aber da sie die Lebensgrundlage der Schäfer bedrohten, standen Wölfe letztlich in einer vergifteten Beziehung zum Menschen, und ihren schlechten Ruf sollten sie nicht mehr loswerden." (S. 121)

"Ironischerweise wurde der Hund - ein domestizierter Wolf - zur Verteidigung gegen räuberische Wölfe beordert." (S. 121)

"Die Römer bezeichneten bisweilen die Morgendämmerung als inter Lupum et Canum: "die Zeit zwischen dem Wolf und dem Hund". Hunde herrschen am Tag, Wölfe dominieren in der Nacht." (S. 121)

"Das beliebteste Tier der Menschen und das von ihm am meisten verachtete waren im Grunde ein und dasselbe Geschöpf." (S. 121)

Zurück zu den Wölfen, möchte ich als nächstes auf DIE Wölfin eingehen. 2006 geboren, erhielt sie von den Beobachtern und Biologen den Namen O-Six. Das Wolfspaar 21M und 42W waren die Großeltern dieser Wölfin. Wäre O-Six ein Mensch, würde ich sagen, dieses Gesicht werde ich niemals vergessen. Auch wenn die Biologen und Ranger den Wölfen mit Bedacht keine Namen gaben, waren sie dennoch in ihren Köpfen und Herzen ganz besondere und einzigartige Wesen. O-Six wuchs zu solch einer besonderen Wölfin heran und wurde somit zu einem der bekanntesten Wölfe im Yellowstone.
O-Six ❤
© Google

O-Six wurde zur Leitwölfin des Lamar-Canyon-Rudels. Diesen bildete sie mit den beiden Brüdern 754 und 755, wobei sich sie mit 755 über die Jahre mehrmals paarte.
Ich habe mir seit dem Lesen dieses Buches so viele Bilder und Artikel über diese Dreiecksbeziehung angeschaut bzw. durchgelesen, dass diese Verbindung mein beschriebenes Highlight des Buches ist. Der immer nebenherlaufende 754, welcher über Jahre versuchte, die Aufmerksamkeit von O-Six auf sich zu ziehen und der Moment, als er erkannte, dass es Zeit ist, sich abzuwenden. 754 erzählt eine eigene, beinahe traurige Geschichte und war der Lieblingswolf von Doug McLaughlin, ein weiterer Watcher, der in diesem Buch einen interessanten menschlichen Part einnimmt. 
Was mich auf den Bildern und vor allem in bewegten Bildern besonders beeindruckte, war das optische Bild der Drei. O-Six, die beinahe weiß wirkte und die beiden Brüder mit ihrem schwarzen Fell. Mit meinen eigenen Worten würde ich sagen: "Ein Bild für die Götter".
© Google

2008 gab es in der Regierung einen Wandel. Nach vielem Hin und Her, verschiedenen Prozessen und unterschiedlichen Sichtweisen, wurde die erste legale Wolfsjagd erlaubt. 
"Diese Entscheidung hatte am Saisonende die Ausrottung des Cottonwood-Creek-Rudels sowie den Tod von 254 weiteren Wölfen in Yellowstone zur Folge." (S. 169)

Die ganzen Aussagen, Meinungen und Stellungsnahmen zum Thema Wolfsjagd bleibt jedem Menschen selbst überlassen. Ich kann sagen, dass ich eindeutig dagegen bin! Und kann die vielen Beispiele im Buch, die FÜR den Wolf sprechen, absolut nachvollziehen. 
Mit dem folgenden Ausschnitt möchte ich nicht alle Jäger über einen Kamm scheren, aber mit Sicherheit einige.

"Der Wolf ist ein Tier, das einen Menschen töten kann, ein Tier legendärer Ausdauer und großen Muts, ein Tier, das die wunderbare Verschmelzung mit seiner Umwelt verkörpert. Genau das würde dem frustrierten modernen Jäger gefallen: die edlen Eigenschaften, die man sich vorstellt, das Gefühl, in die Welt zu passen. Der Jäger will der Wolf sein." (S. 150)


Fazit

Ein Sachbuch, welches ich in 21 Tagen, weniger gelesen, sondern eher studiert habe.
Ab einem gewissen Punkt, hat mich dieses Buch sehr bewegt und ich habe mich nebenher sehr viel mit dem Thema Wolf, auch auf Deutschland bezogen, beschäftigt.
Auch wenn die politische Sicht und Entscheidungen eher trocken waren, waren diese Dinge wichtig für die Gesamtheit. Ich bin fasziniert von diesen Tieren und sehr neugierig, was die Buchwelt noch für mich zu bieten hat. Jeder Wolf in diesem Buch, dem eine etwas größere Rolle zugesprochen wurde, wird mir auf jeden Fall in Erinnerung bleiben. Ich habe im Buch viele Textstellen zum Nachlesen markiert und habe auch versucht, die Rezension etwas ausführlicher zu schreiben, so dass auch ich selbst jederzeit gedanklich in diese Geschichte zurückfinden kann. Bei mir sind in letzter Zeit einige Bücher zum Thema Wolf eingezogen, ich freue mich auf jedes einzelne und hoffe mein Herz macht das noch eine Weile mit. Auch wenn ich dem Buch einen Stern, aufgrund der trockenen politischen Seite abziehe, ist es ein Buch, welches ich Interessierten ans Herz lege und welches mir sehr gut in Erinnerung bleiben wird.
Neben den Büchern zum Thema Wolf stehen in nächster Zeit auch einige Dokumentationen auf meinem Plan. Die Geschichte von O-Six wurde unter dem Titel "She Wolf" dokumentiert. Leider auch nur auf Englisch, aber ich kann dennoch nicht widerstehen 🐺❤
Schaut kurz in diese verlinkte Doku rein, ich verspreche euch, ab 0:36 min habt ihr eine Gänsehaut und schaut weiter.

Der Autor


Nate Blakeslee studierte Amerikanistik an der University of Texas, bevor er sich einen Namen als investigativer Journalist machte. Sein erstes Buch (»Tulia«, über Rassismus und Korruption in einer texanischen Kleinstadt) und diverse Reportagen (etwa über einen Missbrauchsskandal in einem Jugendgefängnis) brachten ihm zahlreiche Preise ein, sorgten für landesweite Schlagzeilen, Gerichtsverfahren und Rücktritte. »Die Wölfin« ist sein zweites Buch. Blakeslee lebt mit seiner Familie in Austin, Texas.

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