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Montag, 21. Februar 2022

[REZENSION] Die andere Hälfte der Hoffnung | Kriminalroman

Titel: Die andere Hälfte der Hoffnung | Autorin: Mechthild Borrmann
Verlag: Droemer TB | Seitenanzahl: 320 Seiten 
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Inhaltsangabe

Valentina wartet auf die Rückkehr ihrer Tochter aus Deutschland. Seit Monaten hat sie nichts mehr von ihr gehört. Sie scheint spurlos verschwunden – wie viele andere Studentinnen, die angeblich ein Stipendium in Deutschland erhalten haben. Valentina lebt dagegen in der verbotenen Zone von Tschernobyl, ihrer alten Heimat. Um dem trostlosen Warten und dem bitterkalten Winter zu trotzen und die Hoffnung nicht zu verlieren, beginnt Valentina ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. In Deutschland versteckt währenddessen Martin Lessmann eine junge osteuropäische Frau vor ihren Verfolgern. Als sie sich kurz darauf die Pulsadern aufschneidet, rettet er sie ein zweites Mal – und erfährt Ungeheuerliches.
(Quelle: Droemer Knaur)

 

Meine Meinung


Dieses Buch packt und bewegt zugleich

Da hat ein absolutes Highlight auf meinem SuB geschlummert.
Nachdem ich 2018 "Trümmerkind" von der Autorin gelesen habe, ist auch dieses Buch bei mir eingezogen. Was ist mir da nur für eine Geschichte entgangen.
Ich wusste auch tatsächlich gar nicht mehr so recht, worum es in dem Titel geht. 
Aufgrund des Covers tendierte ich zuerst zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, aber weit gefehlt. Im Buch haben mich Themen wie Menschenhandel, Freundschaft, Familie und auch der Reaktorunfall in Tschernobyl erwartet.

Ich weiß an diesem Punkt schon, dass ich hier eine ellenlange Rezension schreiben könnte, euch dann wiederum schon alles verraten würde.
Also versuche ich mich kurz zu fassen.

Im Buch trifft man auf eine Vielzahl von Menschen.
Die drei Hauptakteure sind jedoch:
Matthias Lessmann aus Zyfflich, welches an der Grenze zu den Niederlanden liegt.
Er ist ein älterer, verwitweter Mann, der nach dem Tod seiner Frau lediglich für seine Tiere und seinen Hof morgens aufsteht. Eines Tages sieht er vom Hof ein junges Mädchen auf der Straße. Erst dachte er sich nichts dabei, bis er bemerkte, dass das Mädchen barfuß lief und sich ständig umschaute. Als dann noch ein unbekannter schwarzer Pkw langsam durch die Straßen fuhr, wusste er, das Mädchen ist auf der Hut.
Kurzentschlossen zieht er sie auf seinen Hof.
Mit dieser Entscheidung verändert sich das Leben des Matthias Lessmann schlagartig, denn das Mädchen flieht vor Menschenhändlern und hat einen einzigen Wunsch.
Ihre Freundin aus deren Fängen befreien.

Leonid Witalijowytsch Kyjan ist Leutnant bei der ukrainischen Polizei und Teil einer Sondergruppe, welche dem Verschwinden einer Vielzahl ukrainischer Studentinnen auf den Grund gehen soll. Diese Mädchen wollten mit einem Auslandssemester die Chance nutzen, in Deutschland Geld zu verdienen und zu studieren. Die Hauptermittlungen bringen ihn nach Düsseldorf. Gleichzeitig wird er von einem Freund gebeten, die Tochter und deren Freundin einer Nachbarin zu finden, welche nach Deutschland gereist sind und von denen man nie wieder etwas gehört hat.

 Walentyna Maksymiwna Schtschukina lebt in der Entfremdungszone (Sperrzone von Tschernobyl) und vermisst ihre Tochter. Unter den schlimmsten Verhältnissen haust sie in einer kleinen Hütte, gemeinsam mit ihrer Katze Kisa. Der Winter steht vor der Tür und man bekommt als Leser einen interessanten und erschreckenden Einblick in ihren Alltag. 
Walentyna nutzt die Zeit auch, um die Rückkehr ihrer Tochter zu überbrücken, welche mit einer Freundin nach Deutschland gereist ist, um dort ein wenig Geld zu verdiene, und schreibt eine Art Tagebuch für ihre Tochter.
In diesem Tagebuch erzählt Walentyna ihre eigene Lebensgeschichte.
Anfänglich von Glück begleitet, fügt sich im Laufe der Jahre und spätestens ab dem 26. April 1986 die Silbe Un vor ihr Glück.
Gemeinsam mit ihrem Mann lebte sie in der Stadt Prypjat, welche unmittelbar in der Nähe des Atomkraftwerkes Tschernobyl liegt. Walentyna arbeitet als Krankenschwester und ihr Mann ist angestellt im Atomkraftwerk vor Ort.
Vor allem hier möchte ich ihren Erzählungen nicht allzu viel vorweg nehmen, ich habe mir allerdings drei Zitate bzw. Textpassagen herausgesucht, die den Schrecken dieser Zeit im vollen Umfang zeigen. Es macht einfach nur traurig, was diese Menschen mitgemacht haben.

"Die Wilderer sind das ganze Jahr unterwegs. Rehe, Elche, Wildschweine und Enten. Delikatessen, die auf den Märkten verkauft und in Kiewer Restaurants auf den Tisch kommen. Niemand fragt, wo die Tiere geschossen werden. Kontaminiertes Fleisch zu Höchstpreisen."
(S. 84)

"Der Boden ist schwarz und fruchtbar. Gute ukrainische Erde."
"Verstrahlte Erde", hatte Artem gesagt, und sie hatte geantwortet: "Eine andere hab ich nicht."
(S. 129)

"Tote,Verletzte, Flucht und Vertreibung. Aber wie soll sie den Feind beschreiben? Der Feind, der sich nur in diesem boshaften Krächzen der Geigerzähler zu erkennen gibt."
(S. 130)

Jedes Mal, wenn ich ein Buch in die Finger bekomme, welches dieses Thema behandelt, bekomme ich eine Gänsehaut und bin zu gleichen Teilen fasziniert und schockiert.
Diese Erzhlstränge von Walentyna haben mich mitgenommen.
Aber auch die Suche Leonid's nach den beiden ukrainischen Mädchen und die Erlebnisse des Matthias Lessmann konnten mich unheimlich gut unterhalten und an die Geschichte fesseln. Auch bei den beiden Männern tauchen Themen und Situationen auf, die einem einen Schauer über den Rücken jagen.


Mein Fazit


Es ist mein erstes Highlight in diesem Jahr!
Wie kann solch ein Buch nur dank einer Challenge in meine Hände gelangen.
Egal, ob ihr euch für die oben angesprochenen Themen interessiert, ich spreche hier eine ganz große Leseempfehlung aus!

Die Autorin


Mechtild Borrmann, Jahrgang 1960, verbrachte ihre Kindheit und Jugend am Niederrhein. Bevor sie sich dem Schreiben von Kriminalromanen widmete, war sie u.a. als Tanz- und Theaterpädagogin und Gastronomin tätig. Mit „Wer das Schweigen bricht“ schrieb sie einen Bestseller, der mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet wurde und wochenlang auf der KrimiZeit-Bestenliste zu finden war. Für den "Geiger" wurde Mechtild Borrmann als erste deutsche Autorin mit dem renommierten französischen Publikumspreis "Grand Prix des Lectrices" der Zeitschrift Elle ausgezeichnet. 2015 wurde sie mit "Die andere Hälfte der Hoffnung" für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Mechtild Borrmann lebt als freie Schriftstellerin in Bielefeld.
© Annika Ettrich

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