Samstag, 28. September 2024

[REZENSION] Verschollen in Panama: Die wahre Tragödie vom Pianista Trail | True Crime | Sachbuch


Titel: Verschollen in Panama: Die wahre Tragödie vom Pianista Trail
Autoren: Christian Hardinghaus und Annette Nenner
Verlag: BoD Seitenanzahl: 322 Seiten 
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Inhaltsangabe


Am 1. April 2014 kehrten die niederländischen Touristinnen Lisanne Froon und Kris Kremers nicht von ihrer Wanderung auf dem Pianista Trail zurück. Heute hat sich ihre Tragödie durch immer neue Internet-Theorien zu einem der mysteriösesten True- Crime- Fälle der Welt entwickelt. 

Die Investigativjournalisten Christian Hardinghaus und Annette Nenner konnten nun erstmals die offiziellen Ermittlungsakten wissenschaftlich auswerten. Ihre akrisbische Arbeit basiert zudem auf intensiven, fünfmonatigen Recherchen vor Ort. Alle wichtigen Zeugen wurden noch einmal persönlich befragt und neue Indizien gesammelt. Nenner erkundete Tag und Nacht den panamaischen Nebelwald und spürte den Wegen nach, die Kris und Lisanne gegangen sein könnten. Die Autoren sortieren die unpassenden Teile eines der größten Puzzles unserer Zeit aus und fügen gleichzeitig wichtige hinzu, um die weitere Aufklärung des Cold Case in Gang zu bringen.

Zum zehnten Jahrestag der Tragödie auf dem Pianista Trail ist dieses Buch eine Hommage an die unermüdliche Suche nach Antworten, eine Hommage an zwei Leben, die viel zu früh beendet wurden, und ein Muss für alle, die sich für echte Kriminalfälle und ungelöste Rätsel interessieren.
(Quelle: Rückseite des Buches)


Meine Meinung


Ein Fall, der mich hilflos und schockiert zurücklässt


2014 war ich 25 Jahre alt, das heißt zwei bzw. drei Jahre älter als Lisanne Froon und Kris Kremers. Kris ist im gleichen Jahr, wie meine jüngere Schwester geboren. Die beiden Holländerinnen waren also unsere Generation, was das Grauen des Falles für mein Empfinden nur noch verstärkt.

Ich konnte vor Beginn des Buches sagen, dass ich keinerlei Vorkenntnisse hatte, auch keine der vielen Bilder im Internet, Podcastfolgen oder Youtubevideos verinnerlicht hatte. Es war für mich ein jungfräulicher Start.
Umso intensiver traf mich dieser Fall...

Zwei junge Frauen, die ihren Studiumsabschluss in der Tasche hatten, mittels eines Nebenjobs in einem Café ein halbes Jahr Geld sparten, um diese verhängnisvolle Reise antreten zu können. Es sollte es Auszeit und zugleich eine Freiwilligenarbeit mit Kindern werden. 
Am 15. März 2014 erreichten die beiden ihr Reiseziel Panama.
Am 29. März 2014 erreichten sie die im westlichen Panama gelegene Stadt Boquete.
Am 1. April 2014 entschieden sie den Pianista Trail zu wandern und kehrten nie wieder zurück.

Genau diesem Verschwinden haben sich die beiden Autoren des Buches gewidmet.
Christian Hardinghaus war mir bereits ein Begriff. Annette Nenner ist im Nachhinein und nach Betrachten ihres Instagramprofils eine spannende und vor allem mutige Persönlichkeit. Was die beiden in diesem Buch machen ist, aufzuräumen.
Aufzuräumen mit Lügen und Falschverdächtigungen, die über diesen Fall seit Jahren im Umlauf waren. Sie gehen dabei nicht nur auf andere Literatur ein, die zu dem Thema erschienen sind, sondern gehen auch auf verschiedene Podcaster und Youtuber ein.
Da mir diese alle nicht bekannt waren, konnte ich mir kein Urteil bilden.
Da mir dieses Werk hier allerdings unheimlich ehrlich und fundiert erscheint, steht für mich fest, dass ich mir keine der im Buch genannten Medium im Nachhinein anschauen bzw. anhören werde.

Ein Punkt, der gleich am Anfang des Buches angesprochen wird, ist, dass die beiden Autoren bewusst nicht bei einem bekannten Verlag, sondern in eigener Verantwortung ohne Verlag publiziert haben, um die vollständige Unabhängigkeit zu wahren.

Wenn man, wie ich, völlig unvoreingenommen und nicht wissend an diesen Verfall herangeht, kann man im Nachgang sagen, man hat den Tag des Verschwindens und sogar die Tage zuvor verinnerlicht. Gefühlt kenne ich nun jedes Haus, jedes Schild und jede Blume, an der die beiden Frauen vorbeigekommen sein müssten. 

Ich habe mich nach dem Lesen auch mit dem Trail in Panama beschäftigt.
Ich selbst kann mich nicht als Wanderin bezeichnen, da würde mir andere Unternehmungen einfallen. Wenn man nur die Strecke und die Dauer betrachtet, machbar. Aber zwei Bilder, die ich gleich anfüge, zeigen einen ganzen unterschiedlichen Eindruck des Wanderweges.
©alltrails.com

Es ist zwar nicht der gleiche Blickwinkel auf den Trail, aber was macht bitte allein die Wettergegebenheiten schon aus? Links würde ich einfach losmarschieren. Rechts würde ich sagen: ach nö, lass mal. In der Region in und um Panama befinden sich Nebelwälder.
©alltrails.com

Eine schöne, aber zugleich auch gruselige und gefährliche Aussicht.

Nur stellen sich immer noch Fragen, wie: 
Waren die beiden allein?
Wieso sind sie am Aussichtspunkt des Trails nicht wieder umgekehrt, sondern in den wilderen Teil der Natur und des Trails hineingegangen? Mit dem Wissen, dass das Tageslicht schwindet und die Zeit rennt. 
Wieso werden so unterschiedliche Zeugenaussagen zum "letzten Sehen" der beiden Frauen getätigt, was die Uhrzeit und deren Kleidung anbelangt?

Fragen über Fragen. Dies ist eine Rezension, die nur aus Fragen zu diesem Fall bestehen könnte und ihr würdet euch anhand der vielen offenen Fragen, die Augen blutig lesen.

In zwei Teilen und insgesamt fast fünfzig Kapiteln geht das Autorenduo auf die verschiedensten Vermutungen, Hinweise und mögliche Abläufe des Tages ein.
Ein großes Highlight ist, dass die Autorin selbst im März 2023 nach Boquete reiste und mehrere Monate vor Ort verbrachte, um sich ein Bild der Umgebung zu machen, aber auch um sich mit vielen damaligen Zeugen zu unterhalten. Um Aussagen und Mythen zu bekräftigen oder niederzulegen. Ich habe auf ihrem Instagramprofil viele Bilder diese Recherchereise gesehen und muss sagen: Hut ab!
Auch wenn ich, wie Annette fließend spanisch sprechen könnte, wüsste ich nicht, ob ich diese Reise allein angetreten hätte.

Irgendwann bekamen Hardingshaus und Nenner Zugriff auf die Gerichtsakten, welche aus 2656 Seiten bestanden, die weder digitalisiert, noch sortiert waren.

Ein Punkt, der den fadesten Beigeschmack für mich hat, ist das Gefühl des Vertuschens.
Wie hier von Seiten der panamaischen Polizei ermittelt wurde, stellt für mich eine Vollkatastrophe dar. Es wurde so vielem nicht nachgegangen, so vieles nicht im Labor untersucht. Denn es gab diese gewissen Anhaltspunkte.
Aber diese verflogen mit dem Wind.
Oder der Punkt, dass die Niederlande sich an der Suche beteiligen wollten.
Extra spezielle Suchhunde aus dem Heimatland der beiden Frauen eingeflogen wurden und diese dann nur bis zum höchsten Punkt des Pianista Trails laufen durften und NICHT entlang der anderen, gefährlichen Seite, welche die beiden Mädchen jedoch höchstwahrscheinlich gegangen sind.

"Dieses Versäumnis nährt in vielen, die sich intensiv mit dem Fall beschäftigen, den Verdacht, dass Ermittler und Behörden selbst in die Vertuschung eines Verbrechens verstrickt sein könnten - manche möglicherweise aus Korruption, um Täter zu schützen, andere vielleicht in der Absicht, dem Ansehen des Landes und seinem Tourismussektor keinen Schaden zuzufügen. Auch hierfür gibt es Anzeichen, aber keine eindeutigen Beweise." (S. 241)

Wer bei True Crime Büchern auch auf gewisse, gruselige Aspekte hofft, hat hier Glück.
Nicht nur die Beschreibungen der Waldregion geben Anlass für Gänsehaut, auch diverse Funde, die mit dem Vermisstenfall zusammenhängen, haben mich unheimlich gegraut. 
Hinsichtlich der Knochenfunde, die nach dem Verschwinden gemacht wurden, komme ich auf keinen Nenner. Anatomisch unheimlich interessiert und auch wissend, will ich mir nicht ausmalen, wie da plötzlich ein Teil eines Beckens, ein Schuh mit dem Fuß eines der Mädchen und ein Teil des Schienbeines und Oberschenkelknochens in der Wildnis herumliegen können. Von Farbe und anderen Gegebenheiten mag ich an dieser Stelle gar nicht sprechen und schimpfen, dass dem nicht nachgegangen wurde.
Und an zweiter Stelle, ein beinahe unversehrter Rucksack. Auf Bildern ist zu erkennen, das dieser von Kris auf den Schultern getragen wurde. Der Inhalt bestand aus einigen Lebensmitteln und persönlichen Gegenständen, darunter zum Beispiel ein BH der Marke H&M, den Lisanne auf den letzten Bildern unter ihrem blauen Shirt trug.
Und zu guter Letzt, diese völlig zusammenhangslosen Handynachweise und Nachtbilder auf der Kamera der Frauen, welche ebenfalls im Rucksack gefunden wurden.

Kennt ihr das Phänomen, dass man sich mit dem Kopf nach unten um einen Holzstab dreht, etliche Läufe um den Stab macht, dann stehen bleibt und alles nur noch schwankend und undeutlich erkennt? So geht es mir bei diesem Fall!

Auch nach dem Lesen des Buches und des vielen Nachdenkens und dem Austausch mit meiner besten Freundin, welche das Buch zur gleichen Zeit gelesen hat, kommen wir zu keiner Lösung. Für die Angehörigen, Freunde und Menschen, die sich ausgiebig mit diesem Fall beschäftigt haben, können wir nur hoffen, dass sich der Nebel irgendwann lichten wird. Das neue, hilfreiche Zeugenaussagen oder ähnliches auftauchen werden.
Wenn ich an den Fall und diese zwei jungen Leben denke, habe ich ein unheimlich flaues Gefühl im Bauch.

Und nun möchte ich euch zum Abschluss meiner Rezension die beiden jungen, sympathischen Frauen noch vorstellen, um die es in diesem Buch geht.
links: Kris Kremers / rechts: Lisanne Froon
©Google

Dies müsste eines der vorletzten Bilder sein. Fotografiert auf dem sogenannten Mirador, dem höchsten Punkt des Pianista Trails. Ich habe bewusst dieses Bild gewählt. Wer das Internet befragt, bekommt auch ein Bild mit einer Daumenhoch-Pose angezeigt. Von diesem Bild habe ich mit Absicht Abstand genommen, weil es mir unheimlich unheimlich (und dies ist kein Dopplungsfehler) erscheint. 
Wenn ihr das Buch lest, versteht ihr meine Aussage.

Auf dem Mirador wurde nach dem Fall ein Denkmal in Form eines Kreuzes aufgestellt.
Dieses Denkmal wurde übrigens von einem der Hauptverdächtigen dort aufgestellt, welcher nach den Autoren und auch meiner Meinung nach überhaupt nichts mit dem Verschwinden zu tun hat.
©alltrails.com

Fazit

Für alle Interessierten, die diesen Fall bereits kennen oder wie ich noch nie davon gehört haben, spreche ich eine ganz große Leseempfehlung aus. 
Was hier an einem schönen Tag in Panama am 1. April 2014 passiert ist, kann niemand nachvollziehen. Egal, wie schlimm die letzten Stunden gewesen sein müssen, ich hoffe ihr ward zusammen. Ganz große Empathie empfinde ich gegenüber der Familie und Freunde der beiden Frauen. Welch unglaubliches Leid mussten und müssen sie immer noch ertragen.

Großer Dank gilt dem Autorenduo für ihren Enthusiasmus und ihrer Leidenschaft, diesem Fall, diesen zwei Frauen und deren Geschichte, mehr Licht zu schenken.

Die Autoren


Christian Hardinghaus wurde 1978 in Osnabrück geboren. Nach seinem Studium der Geschichte, Medien und Literaturwissenschaft promovierte er im Bereich Propagandaforschung an der Universität Osnabrück. Später folgte der Abschluss fürs gymnasiale Lehramt und die Ausbildung zum Fachjournalisten an einer Berliner Journalistenschule. Hardinghaus ist seit 20 Jahren als freier Journalist, Autor und Lektor tätig.

Annette Nenner war Texterin und Übersetzerin und arbeitet nun als freie Autorin, Journalistin und Lektorin. Sie wuchs nahe Heilbronn auf und studierte Germanistik, Philosophie und Ethnologie an der Uni Mainz. Seit 20 Jahren reist sie allein um die Welt, seit fünf Jahren ohne festen Wohnsitz. Sie verbrachte Monate in Ägypten, Thailand, Mexiko, Spanien und vielen anderen Ländern mehr. Ihre Erlebnisse in Panama hat sie in ihrem Buch "Verschollen in Panama" beschrieben.
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