
Inhaltsangabe
Japan, 1185.
Meine Meinung
Zwischen Schatten und Sehnsucht – Ein fesselnder Ausflug ins Japan des 12. Jahrhunderts
Ich weiß nicht, ob ich auf dieses Buch aufmerksam geworden wäre, wenn mich die Autorin nicht kontaktiert hätte. Ich bin im Nachhinein sehr glücklich und dankbar, dass ihre Wahl auch auf meinen kleinen Blog gefallen ist.
„Schatten über Hiraizumi“ ist für mich eine dieser seltenen Entdeckungen, bei denen man schon nach wenigen Seiten merkt, dass hier eine Autorin schreibt, die Bilder im Kopf entstehen lassen kann. Amber Grey verknüpft ihren sehr visuellen, fast filmischen Schreibstil mit einer atmosphärischen Tiefe, die mich sofort in das Japan des späten 12. Jahrhunderts gezogen hat – eine Zeit, in der die glanzvolle Heian-Kultur im politischen Umbruch stand und die großen Adelsfamilien wie die Fujiwara gerade ihren Einfluss verloren.
Besonders spannend fand ich die Darstellung der frühen Kriegerkaste – zu einer Zeit, in der der Begriff „Samurai“ noch nicht das fest umrissene Ideal verkörperte, das wir aus späteren Jahrhunderten kennen. Im späten 12. Jahrhundert waren viele dieser bewaffneten Männer Gefolgsleute einflussreicher Clans, Späher – und gelegentlich auch Attentäter, die im Auftrag ihrer Herren heimliche Operationen ausführten. Diese Männer agierten oft im Verborgenen, außerhalb formaler Militärstrukturen, und verbanden Kenntnisse in Waffenhandwerk, Tarnung, Kundschaft und lautlosem Vorgehen. Sie standen in der gesellschaftlichen Hierarchie deutlich unter den höfischen Kriegern, erfüllten aber wichtige, manchmal moralisch zweifelhafte Aufgaben.
In diese Tradition fällt auch Tadashi, Yukis Bruder, der als Attentäter diente. Die Autorin zeichnet ihn nicht als finsteren Schattenmann, sondern als jemanden, der in diese unsichtbare, gefährliche Arbeit hineingewachsen ist – eine Rolle, die Loyalität erfordert, aber auch innere Zerrissenheit erzeugt. Seine Vergangenheit und die Fähigkeiten, die er sich aneignen musste, verleihen der Geschichte zusätzliche Spannung und zeigen, wie komplex das Leben jener Männer war, die im Namen eines Clans handelten, ohne je eine feste Identität oder gesellschaftliche Anerkennung zu besitzen.

Mein Fazit
Amber Grey ist definitiv eine Autorin, die mit diesem Debüt mehr Aufmerksamkeit verdient. Für alle, die historische Romane mit emotionaler Tiefe, subtiler Spannung und authentischem Setting lieben, ist dieses Buch eine echte Empfehlung.
Die Autorin
Amber Grey lebt in Norddeutschland und jongliert als berufstätige Alleinerziehende den ganz normalen Wahnsinn: ein Kind, pflegebedürftige Eltern, Tiere, Haus und ein großer Garten halten sie auf Trab. Wenn nachts Ruhe eingekehrt ist, genießt sie es, ihre Kreativität auszuleben. Mit schwarzem Gürtel im Ju-Jutsu ausgestattet und einer gehörigen Portion Dickköpfigkeit (die sie mit ihrer Protagonistin teilt), taucht sie in ferne Welten ein.
Ihr Debüt „Schatten über Hiraizumi“ sollte ursprünglich eine klassische Liebesgeschichte werden. Doch intensive historische Recherchen und ein wachsendes Verständnis für das mittelalterliche Japan ließen die Geschichte dunkler werden. Heute erzählt sie nicht nur von Liebe, sondern auch von Verrat, Schuld und dem Kampf um Selbstbestimmung in einer von Zwängen geprägten Zeit.



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