Samstag, 6. Dezember 2025

[REZENSION] Schatten über Hiraizumi | Historischer Roman

Titel: Schatten über Hiraizumi | Autorin: Amber Grey
Seitenanzahl: 330 Seiten 
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Inhaltsangabe


Japan, 1185.
Als die junge Magd Yuki mit ihrem Bruder - einem Attentäter - in die pulsierenden Gassen Hiraizumis eintaucht, hofft sie auf einen Neuanfang. Doch die Hauptstadt der nördlichen Provinzen birgt mehr als nur neue Möglichkeiten - sie konfrontiert sie mit ihrer dunklen Vergangenheit.
Ein Netz aus Verrat, verschwiegenen Wahrheiten und tödlichen Intrigen legt sich um sie, und bald schon gerät Yuki zwischen die Fronten eines Machtkampfes, der das Schicksal des ganzen Landes entscheiden wird.
"Schatten über Hiraizumi" ist ein fiktiver Roman vor historischem Hintergrund, angesiedelt im Japan des späten 12. Jahrhunderts, einer Zeit zwischen dem Niedergang der Heian-Kultur und dem Aufstieg der Kriegerklasse unter den Minamoto.
(Quelle: Klappentext und Amazon)

 

Meine Meinung


Zwischen Schatten und Sehnsucht – Ein fesselnder Ausflug ins Japan des 12. Jahrhunderts


Ich weiß nicht, ob ich auf dieses Buch aufmerksam geworden wäre, wenn mich die Autorin nicht kontaktiert hätte. Ich bin im Nachhinein sehr glücklich und dankbar, dass ihre Wahl auch auf meinen kleinen Blog gefallen ist.

„Schatten über Hiraizumi“ ist für mich eine dieser seltenen Entdeckungen, bei denen man schon nach wenigen Seiten merkt, dass hier eine Autorin schreibt, die Bilder im Kopf entstehen lassen kann. Amber Grey verknüpft ihren sehr visuellen, fast filmischen Schreibstil mit einer atmosphärischen Tiefe, die mich sofort in das Japan des späten 12. Jahrhunderts gezogen hat – eine Zeit, in der die glanzvolle Heian-Kultur im politischen Umbruch stand und die großen Adelsfamilien wie die Fujiwara gerade ihren Einfluss verloren.

Besonders beeindruckt hat mich das Setting zu Beginn der Geschichte: die abgelegene Hütte am Yoyama-Pass, in der Yuki mit ihrem Bruder Tadashi und einer Ogamisama (ähnelt einer Schamanin) lebt. Der Autorin gelingt es, die klare Bergluft, das Knacken des Holzes im Kamin und die feinen Rituale des Alltags so einzufangen, dass ich mich sofort in diese Welt versetzt fühlte. Die historischen Details – vom Leben in der Provinz bis zu den politischen Spannungen um den mächtigen Fujiwara-Clan von Hiraizumi – sind wohldosiert und verleihen der Geschichte Tiefe.

Besonders spannend fand ich die Darstellung der frühen Kriegerkaste – zu einer Zeit, in der der Begriff „Samurai“ noch nicht das fest umrissene Ideal verkörperte, das wir aus späteren Jahrhunderten kennen. Im späten 12. Jahrhundert waren viele dieser bewaffneten Männer Gefolgsleute einflussreicher Clans, Späher – und gelegentlich auch Attentäter, die im Auftrag ihrer Herren heimliche Operationen ausführten. Diese Männer agierten oft im Verborgenen, außerhalb formaler Militärstrukturen, und verbanden Kenntnisse in Waffenhandwerk, Tarnung, Kundschaft und lautlosem Vorgehen. Sie standen in der gesellschaftlichen Hierarchie deutlich unter den höfischen Kriegern, erfüllten aber wichtige, manchmal moralisch zweifelhafte Aufgaben.

In diese Tradition fällt auch Tadashi, Yukis Bruder, der als Attentäter diente. Die Autorin zeichnet ihn nicht als finsteren Schattenmann, sondern als jemanden, der in diese unsichtbare, gefährliche Arbeit hineingewachsen ist – eine Rolle, die Loyalität erfordert, aber auch innere Zerrissenheit erzeugt. Seine Vergangenheit und die Fähigkeiten, die er sich aneignen musste, verleihen der Geschichte zusätzliche Spannung und zeigen, wie komplex das Leben jener Männer war, die im Namen eines Clans handelten, ohne je eine feste Identität oder gesellschaftliche Anerkennung zu besitzen.

Yuki ist eine Protagonistin, die man gern begleitet: wachsam, verletzlich und gleichzeitig klug genug, ihre Umgebung stets zu hinterfragen. Ihr Zusammenspiel mit
Jiro, dem in Pflicht und Vergangenheit verstrickten Krieger, gehört zu meinen persönlichen Highlights des Buches.
Die Annäherung der beiden – teils lockend, teils herausfordernd – ist nie kitschig, sondern entsteht aus Blicken, unausgesprochenen Gedanken und gemeinsamen Gefahren. Gerade diese subtile Spannung, typisch für viele historischen japanischen Erzähltraditionen, hat Grey wunderbar umgesetzt. Es fühlt sich an wie ein Tanz zwischen zwei Welten: Yukis Unschuld und Unabhängigkeit auf der einen, Jiros Pflichtgefühl und kampferprobte Härte auf der anderen.
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So begeistert ich von der Welt und den Figuren bin, einige Fragen bleiben leider offenVor allem Yukis Herkunft, auf die im Verlauf mehrfach angespielt wird, hätte für meinen Geschmack stärker aufgelöst werden dürfen. Auch was aus Nebenfiguren wie Daichi, Akiko oder Takumi geworden ist, hätte mich noch brennend interessiert – gerade weil sie zuvor mit interessanten Rollen und Konflikten aufgebaut wurden.
Das hinterlässt am Schluss das Gefühl, dass die Geschichte noch Raum für ein Nachwort oder einen Epilog gehabt hätte.

Mein Fazit



Trotz dieser kleinen offenen Stellen war „Schatten über Hiraizumi“ für mich ein faszinierender erster literarischer Ausflug in das Japan des 12. Jahrhunderts. Die Mischung aus atmosphärischer Dichte, historischen Hintergründen und glaubhaften Figuren hat mich vollkommen abgeholt – und neugierig auf mehr gemacht.

Amber Grey ist definitiv eine Autorin, die mit diesem Debüt mehr Aufmerksamkeit verdient. Für alle, die historische Romane mit emotionaler Tiefe, subtiler Spannung und authentischem Setting lieben, ist dieses Buch eine echte Empfehlung.
(gerne füge ich an dieser Stelle an, dass ich bei ReadO & Co 4,5 Sterne geben werde, es auf meinem Blog aber seit Jahren keine halben Sterne mehr gibt)

Weitere Meinungen zum Buch

Die Autorin


Amber Grey lebt in Norddeutschland und jongliert als berufstätige Alleinerziehende den ganz normalen Wahnsinn: ein Kind, pflegebedürftige Eltern, Tiere, Haus und ein großer Garten halten sie auf Trab. Wenn nachts Ruhe eingekehrt ist, genießt sie es, ihre Kreativität auszuleben. Mit schwarzem Gürtel im Ju-Jutsu ausgestattet und einer gehörigen Portion Dickköpfigkeit (die sie mit ihrer Protagonistin teilt), taucht sie in ferne Welten ein.

Ihr Debüt „Schatten über Hiraizumi“ sollte ursprünglich eine klassische Liebesgeschichte werden. Doch intensive historische Recherchen und ein wachsendes Verständnis für das mittelalterliche Japan ließen die Geschichte dunkler werden. Heute erzählt sie nicht nur von Liebe, sondern auch von Verrat, Schuld und dem Kampf um Selbstbestimmung in einer von Zwängen geprägten Zeit.

Die Autorin hat eine wunderschöne und informative Website zum Buch gestaltet,
schaut gern mal vorbei ❤


Mein herzlichster Dank für die Bereitstellung des Leseexemplares gilt
Amber Grey
&

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