Titel: KL - Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager
Autor: Nikolaus Wachsmann
Verlag: Siedler Verlag | Seitenanzahl: 992 Seiten
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Inhaltsangabe
Ein historisches Werk, das seinesgleichen sucht: Nikolaus Wachsmanns monumentale Geschichte der Konzentrationslager von den improvisierten Anfängen 1933 bis zu ihrer Auflösung 1945. Diese erste umfassende Darstellung vereint auf eindrückliche Weise sowohl die Perspektive der Täter als auch jene der Opfer, sie zeigt die monströse Dynamik der Vernichtungspolitik und verleiht zugleich den Gefangenen und Gequälten eine Stimme. Ein gewaltiges Buch – erschütternd und erhellend zugleich.
(Quelle: Pantheon Verlag)
Meine Meinung
Ein Sachbuch, welches mit einigen Irrglauben aufräumt
Diese Art von Sachbüchern begegnen mir in der Bücherwelt weiterhin unheimlich selten oder ich müsste dafür deutlich wissenschaftlicheren und historischen Blogs folgen.
Warum ich immer wieder zu Sachbüchern aus dieser Zeit greife?
Zum einen liegt es tatsächlich am Interesse.
Die Zeit des Nationalsozialismus wurde in der Schule nur angeschnitten und daher filtere ich für mich in den letzten Jahren viele Informationen aus der Literatur.
Zu dem gehöre ich mit meinem Baujahr 1989 mit zu der letzten Generation, die eventuell Erfahrungsberichte der Großeltern erhalten können, das heißt noch Zeitzeugen in der Familie haben. Meine Großeltern haben über diese Zeit leider nicht geredet, umso mehr greife ich auf den Bereich Bücher zurück.
Vor allem in den letzten beiden Jahren greife ich allerdings bewusster zum Bereich Sachbuch. Für viele trocken, ist auch jedes für mich eine Herausforderung, aber diese mag ich sehr. Und aus diesem Grund ist dies hier für mich auch die schwerste Rezension, die ich in diesem Jahr schreiben werde, denn es ist eine Kunst, ein Buch von diesem Umfang in eine Rezension zu packen, welche nicht zu einem Vortrag ausartet.
Am Rande ein kleiner Ausblick, wie viele Stellen ich im Buch markiert habe.
Diese bin ich nun nochmal alle einzeln durchgegangen und habe mir nochmals daraus die wichtigsten für meine Rezension herausgefiltert.
Was habe ich von diesem Sachbuch erwartet?
Eigentlich wie immer, den Bericht und die Einblicke in beide Seiten dieser Zeit.
Das heißt sowohl der Menschen, die diesen Schrecken verursacht haben, als auch die Menschen, die diese Tortur durchleben mussten.
Ich den von mir ausgewählten Sachbüchern suche ich keine Inhalte, die alles schön oder alles schlecht reden, es soll sich um einen realistischen Mittelweg handeln.
Es gab das Dritte Reich, es gab Gewalt und Mord und vieles mehr, aber meiner Meinung nach wird vieles in den Medien zu oberflächlich berichtet und von uns Menschen nachgeplappert. Ich mache mir gern mein eigenes Bild und kann sagen, dass dieses Buch mit einigen Irrtümern bzw. Irrglauben aufräumen konnte.
Das Wort Konzentrationslager, anfänglich auch als Verwahrungsanstalt, Arbeitsdienstlager und Durchgangslager bezeichnet, kennt meiner Meinung nach jeder Mensch ab einem gewissen Alter und Bildungsstand. Eventuell mag einige die Abkürzung KL im Titel wundern, aber diese wurde vor der uns heute bekannten Abkürzung KZ benutzt.
Bereits vor dem Lesen der ersten Seiten habe ich mir die Frage gestellt, wie viele Konzentrationslager ich selbst kenne bzw. benennen kann.
Meine Antwort viel recht knapp aus: Auschwitz, Buchenwald, Dachau, Ravensbrück und Treblinka. Ich kam auf 5. Alle bekannt aus dem Schulunterricht oder durch bereits gelesene Literatur.
Bevor du weiter liest, bitte ich auch dich, dir diese Frage zu stellen.
Und wie viele sind dir in den Kopf gekommen?
Deine Antwort darfst du mir gern unten in den Kommentaren mitteilen.
Da bin ich wirklich sehr neugierig.
Im Verlauf des Dritten Reiches gab es insgesamt 27 Hauptlager und 1100 angeschlossene Außenlager.
(markiere die obere Zeile im Gesamten, dann bekommst du die wissenschaftliche Antwort)
Die Antwort ist kaum zu glauben oder?
Nachfolgend versuche ich keine Inhaltswiedergabe nieder zuschreiben, sondern auf Dinge einzugehen, die mir zu sehr verallgemeinert werden oder sogar gar nicht bekannt waren.
Das erste offizielle KL wurde am 13.03.1933 eingerichtet und hieß Nohra, welches sich in der Nähe von Weimar befand. Das letzte gegründete Hauptlager befand sich ebenfalls in Thüringen. Im Herbst 1944 wurde es vom Arbeitslager Dora zum KZ Mittelbau-Dora.
Dazwischen liegen elf Jahre, in denen gefühlt an jeder Stelle Deutschlands und über die Grenzen hinaus die verschiedensten Lager entstanden sind.
Ein Punkt, mit dem der Autor in diesem Buch aufräumt, ist, dass das KZ Auschwitz sehr häufig als Synonym für die NS-Konzentrationslager benutzt wird. Des Weiteren stellt er dar, dass die Begriffe, KL, Auschwitz und Holocaust inzwischen miteinander verschmelzen, wobei jeder Begriff seine eigene Geschichte erzählt.
© Wikipedia |
Himmler's Motto in Bezug auf die KL:
"Es gibt einen Weg in die Freiheit. Seine Meilensteine heißen: Gehorsam, Fleiß, Ehrlichkeit, Ordnung, Sauberkeit, Nüchternheit, Wahrhaftigkeit, Opfersinn und Liebe zum Vaterland." (S. 123)
Das bekannteste KL ist und bleibt Auschwitz, welches allerdings erst am 14.06.1940 in Betrieb genommen wurde. Vorher und auch zum Ende des Krieges war allerdings das KZ Buchenwald das größte und auch teilweise das tödlichste Lager.
Ein kleiner Einblick auf die allgemeine Entwicklung der Gefangenen in Haft.
September 1939/Kriegsbeginn = 21 400
Ende 1940 = 53 000
Anfang 1942 = 80 000
Wenn man an die Waffen denkt, mit denen die Inhaftierten getötet wurden, denken in den meisten Fällen alle an das Giftgas, welches in den bekannten Gaskammern zum Einsatz kam. Allerdings war dies lediglich in Auschwitz die Hauptwaffe ihrer Wahl.
Im Buch wird intensiv darauf eingegangen, welche Methoden in der Vielzahl der anderen KZ's angewandt wurden sind.
© Wikipedia |
Ein weiterer Punkt, den nur die wenigsten wissen, ist, dass ausschließlich in Auschwitz die Gefangenen eine Gefangenennummer tätowiert bekommen haben. Das heißt, alle Zeitzeugen, welche diese bekannte Tätowierung einer Nummer auf dem Unterarm tragen, waren zu irgendeinem Zeitpunkt des Dritten Reiches im KZ Auschwitz inhaftiert.
In den anderen Lagern wurden die Inhaftierten mit Hilfe von farbigen Winkeln bzw. Kennzeichen sortiert. Diese Methode war mir bereits aus einem anderen Buch bekannt. Insgesamt gab es acht Farben mit verschiedenen zusätzlichen Markierungen. Mehr dazu in der nebenstehenden Legende.
Im Januar 1945 kam es zur Befreiung des Lagers Auschwitz. Zurück blieb ein großer Teil der Infrastruktur des Mordens. Dies ist ein Grund, warum man heutzutage deutlich mehr Zeugnisse aus und zu diesem KZ hat, als zum Beispiel zu anderen tödlichen Lagern, wie Belzec, Sobibor oder Treblinka. In diesen Lagern wurden die Beweise zuvor sorgfältig beseitigt und betrachtet man Zeitzeugen, gibt es kaum welche aus diesen Lagern, welche als reine Vernichtungsstätten dienten. "Nur drei Überlebende haben nach dem Zweiten Weltkrieg über Belzec Zeugnis abgelegt." (S. 342)
Im November 1943 wurde das bekannte Lager Auschwitz in drei Lager aufgeteilt.
Auschwitz I = das alte Stammlager
Auschwitz II = Birkenau (mit den Gaskammern)
Auschwitz III = umfasste die über Ostschlesien verstreuten Außenlager, vor allem Monowitz
Eine Person, welche die meisten Menschen mit diesem Thema und vor allem mit dem KZ Auschwitz in Verbindung bringen, ist Dr. Mengele. Dieser wurde allerdings erst im Mai 1943 zum Dienst in Auschwitz abgeordnet. Sein notorischer Ruf überschattet die vielen Taten anderer KZ-Ärzte. In diesem Buch fallen hier etliche Namen und ich finde es erschreckend, dass man meist nur Dr. Mengele kennt bzw. erwähnt.
Die Insassenzahl erreichten im Verlauf des Dritten Reiches schwindelerregende Höhen.
Ein Einblick in den KL- Bestand:
315 000 (31. Dezember 1943)
524 286 (1. August 1944)
706 650 (1. Januar 1945)
Weitere Themen, die ich in meiner Rezension lediglich anschneiden möchte sind zum Beispiel die Personen hinter der SS bzw. hinter den Wachen der verschiedenen Konzentrationslagern. Im Buch enthalten sind Negativbeispiele, welche später die Beinamen "Der Henker" oder "König der Juden" erhalten haben, aber auch Beispiele junger Männer, welche einem Strom folgten, der damals in aller Munde war.
Sie traten der NSDAP bei und ihr beruflicher Werdegang nahm mit den geschichtlichen Ereignissen ihren Lauf. Im Buch wird beschrieben, dass eine Vielzahl der SS- Angehörigen auch nur Menschen waren. Und wie steht man zu dem Thema Kapos?
Ein Kapo war ein Funktionshäftling, das heißt ein Gefangener, welcher zu einem Mitarbeiter der Lagerleitung wurde und andere Häftlinge beaufsichtigte.
Aus einem Gefangenen wurde hier eine Art Leitung, die über seinen Gleichen stand.
Ebenfalls ein sehr spannendes, wie schwieriges Thema.
Ein spannendes, wie auch wichtiges Thema, welches mich abschließend immer noch zu keiner eindeutigen Meinung kommen lässt, ist der Umgang der Mitmenschen.
Wie viel haben diese damals mitbekommen? Wie hätten sie helfen können? Wollten sie helfen? Und wie hätte man selbst agiert in dieser Situation?
Ein sehr schwieriges Thema meiner Meinung nach, welches dennoch einen Platz in diesem Buch gefunden hat.
Auch das Thema Flucht ist interessant. Nur wie sollte diese den Menschen damals gelingen, so ausgezerrt und aussichtslos ihr Dasein war.
Zwischen 1940 und 1945 flohen 471 Männer und Frauen aus dem Lagerkomplex Auschwitz. Insgesamt 144 blieben flüchtig und überlebten größtenteils den Krieg.
327 aber wurden verhaftet und wieder im Lager abgeliefert.
Beenden möchte ich meine Rezension mit einem Zitat von Eugen Kogon, ein Überlebender von Buchenwald und späterer Publizist.
"Es ist keiner so herausgekommen, wie er hineingegangen ist." (S. 696)
Welche Folgen und Nachwirkungen die Zeit der Konzentrationslager auf die Menschen hatte, welche diese Zeit nur irgendwie überstanden haben, steht in einem anderen Buch geschrieben. Der Autor geht auf den letzten Seiten zwar auf einige Beispiele ein, aber dieses Thema ist nicht die Hauptaufgabe dieses Buches.
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Gibt es ein Sachbuch ohne kleine Längen?
Meiner Meinung nach nein, weil diese Längen auf die individuellen Interessengebiete beruhen. Auch für mich gab es hier ein, zwei Längen zu Themen, die mich einfach nicht so interessiert haben, wie andere im Vergleich.
Und für meinen Geschmack war die Anordnung des Bildmaterials hier nicht ganz so günstig. Es gibt zwei Abschnitte mit Bildmaterial, gutes Bildmaterials, aber auf ein 900 Seiten Buch ist dies zu weit verteilt. Zwischendrin ein, zwei Bilder und nicht nach 400 Seiten dann 10 Seiten Bilder, hätten mir besser gefallen.
Ansonsten besteht das Buch ausschließlich aus Text und einigen wenigen Karten oder Tabellen.
Mein Fazit
Ein Buch, welches mir genauste Einblicke in das Thema Konzentrationslager gebracht hat. Ein Buch deren Inhalt mich an manchen Stellen erstaunt und an machen schockiert zurückgelassen hat. Ich kann sehr viele und vor allem neue Informationen und Fakten aus diesem Buch mitnehmen und freue mich auf mein nächstes Sachbuch, welches aber in diesem Jahr keinen Platz mehr in meiner Leseplanung finden wird.
Der Autor
1971 in München geboren, absolvierte seine akademische Ausbildung in England, zunächst an der London School of Economics, dann im Cambridge. Seit 2005 lehrte er Neuere europäische Geschichte am Birkbeck Collge der University of London.
Neben anderen Auszeichnungen erhielt er 2001 den Fraenkel-Preis der Wiener Library und 2005 den Gladstone-Preis der Royal Historical Society. Bei Siedler erschien Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat (2006).
© Gerald von Foris |
Weitere Bücher des Autors
Hallo Andrea,
AntwortenLöschenwas für ein dickes Buch und eine sehr gute Rezension von dir.
Zu deiner Frage: ich komme auch nur auf sechs, die mir schnell einfallen und dass sind dieselben 5 von dir plus unseres in Österreich: Mauthausen. Wenn ich einige Namen lese, werde ich sicher noch einige erkennen, aber einfallen tut mir auch keines mehr.
Die Kapos...sehr interessante Personen, die oftmals wirklich grausam zu ihresgleichen waren. Aber was war icht grausam im KZ? Nur versteht man es bei diesen Menschen irgendwie noch weniger, auch wenn man weiß, dass jeder zuerst auf sich selbst schaut.
Ich erwarte in den nächsten Tagen das neue Buch von Christian Hardinghaus. Ich glaube du weißt, dass ich alle seine Bücher rund um Zeitzeugen gelesen habe. Das neue Buch befasst sich mit den Wolfskindern. Und wieder ein Thema zu dieser Zeit, von dem ich viel zu wenig weiß.
Liebe Grüße
Martina
Hallo Martina,
Löschendank dir für deinen Kommentar und auch für deine Antwort auf meine Frage.
In Büchern sind wir bestimmt schon irgendwann mal auf andere Namen gestoßen, aber so prompt sind mir echt nur die fünf eingefallen. Und ja Mauthausen, ein KZ, welches wirtschaftlichen Charakter hatte, aufgrund des Steinbruchs und hier sind wohl die meisten an der harten Arbeit und durch Unfälle ums Leben gekommen.
Im KZ war denk ich alles grausam ja. Es gab bestimmt ein, zwei Positionen, die angenehmer waren, aber dennoch war man gefangen und wusste nicht, was kommt.
Ich habe mir das Buch von Christian Hardinghaus gerade angeschaut.
Puh, interessantes Thema. Da freue ich mich schon auf deine Meinung und ich weiß jetzt schon, dass es auf meiner Liste fürs nächste Jahr landen wird.
Liebe Grüße zurück,
Andrea