Samstag, 2. Februar 2019

[Rezension] Liebe ist nicht genug | Andrea

Titel: Liebe ist nicht genug | Autorin: Sue Klebold
Verlag: Fischer Verlag
Seitenanzahl: 432 Seiten 
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Inhaltsangabe
„Am 20. April 1999 betraten Dylan Klebold und Eric Harris ausgerüstet mit Gewehren und Sprengstoff die Columbine Highschool. Dort töteten sie zwölf Schüler und einen Lehrer, verletzten vierundzwanzig weitere Menschen und nahmen sich dann selbst das Leben. Es war der schlimmste Schul-Amoklauf der Geschichte. Dylan Klebold war mein Sohn.“

16 Jahre nach dem Amoklauf ihres Sohnes Dylan erzählt Sue Klebold von ihrem Ringen mit der Frage, ob sie die Tat hätte verhindern können, wenn sie nur aufmerksamer, liebevoller gewesen wäre. Sue Klebold ist durch die Hölle gegangen, aber an der Tat ihres Sohnes nicht zerbrochen. Sie hat einen Weg gefunden weiterzuleben und hofft, anderen Eltern zu helfen, das zu verhindern, was sie selbst nicht aufhalten konnte.
Von einem ist sie fest überzeugt: Elterliche Liebe allein reicht nicht aus, um Kinder und Jugendliche vor den Folgen unerkannter psychischer Erkrankungen zu schützen.
Ein starkes Memoire einer Mutter, der das Unvorstellbare passiert ist.
(Quelle: Fischer Verlag)


Meine Meinung

Wie erlebt eine Mutter den Amoklauf ihres Sohnes


„Wie konntest du nur? Wie konntest du das nur tun?“ (S. 68)

Gleich nach dem ich dieses Buch beendet hatte, war mir klar, dass ich dazu keine typische Rezension schreiben kann. Den Inhalt jedes Kapitels, worauf Susan Klebold als Mutter eingeht, wäre zu viel des Guten und das liegt auch gar nicht in meiner Macht, diese gewaltigen Aussagen in Worte bzw. in einen Text zu packen.
Ihr werdet beim Lesen sehr schnell merken, dass ich meine Rezensionen hier um herausstechende Textzeilen herum gebaut habe.
Einige werden es als Spoiler ansehen, für mich sind es die mit emotionalsten Textstellen im Buch.

Im Buch beschreibt Susan Klebold, wie sie von der Tat ihres Sohnes erfährt.
Berichtet von der Zeit, als sie und ihr Mann diese Tat nur leugnen konnten, weil IHR Sohn zu so etwas einfach nicht fähig war. Dylan’s Mutter berichtet auch von seiner Kindheit und beschreibt Dylan als ausgeglichen, lustig, kontaktfreudig und umgänglich.
Ebenso packend waren einige Fotos aus dem Familienbesitz, welche immer wieder eine perfekte, liebevolle Familie zeigen.

„Wenn Dylan an den Umgang mit Waffen gewöhnt gewesen wäre, hätten sie vielleicht keine solche Faszination auf ihn ausgeübt.“ (S. 106)

„Dylan dagegen fiel es nie leicht, wenn er mal scheiterte, und er hasste es, dumm dazustehen.“ (S. 119)

Susan berichtet von der schwierigen Zeit, als die Familie den Umgang mit den Medien lernen musste. Die vielen Anschuldigen anhören, verstehen und wegstecken mussten. Sie mussten lernen zu akzeptieren, dass IHR Sohn und sein Freund Eric 15 Menschen getötet und 24 weitere verletzt haben.

„Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als meinen Sohn in den Arm zu nehmen – und außerdem noch eine Chance, ihn von seiner letzten, schrecklichen Handlung abzuhalten.“ (S. 79)

„In einer besonders schlimmen Nacht sagte Tom völlig erschöpft: Ich wünschte, er hätte uns auch getötet.“ (S. 142)

Der größte Halt in dieser schwierigen Zeit war natürlich die Familie.
Tom Klebold, ihr Mann und ihr älterer Sohn Byron waren Stützen, ohne diese wohl alles zusammengebrochen wäre.

„Solange Byron bei mir war, war ich trotz allem noch jemandes Mutter.“ (S. 97)

Unheimlich spannend, mutig, aber auch traurig fand ich den Schritt, als Susan den Kontakt zu betroffenen Familien gesucht hat. In diesen Kapiteln wird klar, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt. Natürlich versteht man den Schmerz der Familien, welche ihre Kinder verloren haben. Aber können die Eltern eines Amokläufers tatsächlich etwas dafür.
An dieser Stelle finde ich den Titel des Buches sehr gut gewählt.

„Wie bitte schön sagt man: Es tut mir leid, dass mein Kind Ihres umgebracht hat?“ (S. 137)

Weiterhin erzählt Susan, wie sie und ihr Mann nach sechs Monaten endlich in der Lage waren, bei der Polizei die Beweismittel einzusehen. Sie wurden mit psychologischen Einschätzungen ihres Sohnes konfrontiert und mussten erkennen, dass Dylan Probleme hatte. Probleme, welche sie nicht erkannt haben.

„Denn als Dylan am Ende seines Lebens tatsächlich Hilfe brauchte, wusste er nicht, wie er darum bitten sollte.“ (S. 113)

„Ich hoffe, dass der morgige Tag mir nicht die Erinnerung an den Jungen zerstört, den ich geliebt habe.“ (S. 197)

Auch als Leser ist man im ersten Teil des Buches so hautnah dabei. Durch viele Einzelheiten begeht man förmlich neben Susan und Tom Klebold den Ort des Schreckens. Ziemlich am Ende des ersten Teils kommt Susan noch zu folgender Erkenntnis.

„Das Grauen der tatsächlichen Ereignisse verblasste vor dem, was die beiden eigentlich geplant hatten. Der Gedanke daran raubte mir den Atem. So schrecklich die Katastrophe war, es hätte noch viel schlimmer kommen können. Und genau das hatte mein Sohn gewollt.“ 
(S. 204)
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Auch im zweiten Teil geht die Mutter noch auf Dylan’s „Werdegang“ ein.
Vor allem seine letzten beiden Jahre an der Highschool schildert sie dem Leser ausführlich.
Zu dem spricht sie darüber, die Tat ihres Sohnes anzuerkennen und damit zu leben.

Zum Ende erfährt man noch über einen längeren Teil des Buches, was dies aus Susan gemacht hat. Wie und womit sie sich nach diesem Ereignis engagiert.
Und wie sie zu Themen wie Depressionen und Suizid steht.


Mein Fazit
Solche Bücher bewertet niemand gern selbst. Ich ziehe meinen Hut vor Susan Klebold, dass sie vor allem den Mut gefunden hat, der Leserschaft auch die internen Geschehnisse in ihrer Familie darzulegen. Sie legt uns ein offenes Buch vor, aus dem wir herauslesen können, dass solche Taten nicht immer zu vermeiden sind. So schrecklich es auch klingen mag.
Meine Bewertung geht nicht aus Schreibstil oder Fakten zurück, sondern lediglich weil mich der erste Teil deutlich mehr packen konnte. Der zweite Teil wurde sehr ausschweifend von der Autorin dargestellt. Dies mag daran liegen, dass sie selbst betroffen ist.

Die Autorin
Sue Klebold (Jahrgang 1949) lebt heute in Colorado. Zum Zeitpunkt des Amoklaufs arbeitete sie an einem Berufskolleg in einem Programm zur Unterstützung von Erwachsenen mit Behinderung. Heute engagiert sie sich in mehreren Organisationen für Suizidprävention. Zum Amoklauf ihres Sohnes Dylan hat sie sich bisher nur in kurzen Statements öffentlich geäußert. Sue Klebold spendet ihr Honorar an Hirnforschung, Organisationen für Suizidprävention und zur Unterstützung von Menschen mit psychischen Krankheiten. 
© J-K Photography


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