[REZENSION] Mitternacht in Tschernobyl | Sachbuch

 

Titel: Mitternacht in Tschernobyl

Autor: Adam Higginbotham

Verlag: S. Fischer Verlage | Seitenanzahl: 624 Seiten 

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Inhaltsangabe

In seinem Tschernobyl-Thriller deckt Adam Higginbotham auf, was wirklich geschah. Mit großer Erzählkunst und basierend auf intensiver Recherche zeichnet er nach, wie am frühen Morgen des 26. April 1986 der Reaktor 4 des Kernkraftwerks in Tschernobyl explodierte und die schlimmste Atomkatastrophe der Geschichte auslöste.
Seither gehört Tschernobyl zu den kollektiven Albträumen der Welt: eine gefährliche Technologie, die aus den Rudern läuft, die ökologische Zerbrechlichkeit und ein ebenso verlogener wie unachtsamer Staat, der nicht nur seine eigenen Bürger, sondern die gesamte Menschheit gefährdet.
Wie und warum es zu der Katastrophe kam, war lange unklar. Adam Higginbotham hat zahllose Interviews mit Augenzeugen geführt, Archive durchforstet, bislang nicht veröffentlichte Briefe und Dokumente gesichtet. So bringt er Licht in die Geschichte, die bislang im Sumpf von Propaganda, Geheimhaltung und Fehlinformationen verborgen lag.

(Quelle: S. Fischer Verlage)

Meine Meinung

GAU - größter anzunehmender Unfall

Als ich sah, dass Nicole von Zeit für neue Genres dieses Buch zur Hand genommen hat, habe ich mich Anfang Dezember ganz spontan entschlossen, gemeinsam mit ihr nach Tschernobyl zu reisen.

Ich habe bereits andere Bücher zu diesem Thema gelesen, bin dennoch immer wieder gleichzeitig gespannt und schockiert, wenn ich mir vorstelle, was im April 1986 in der Ukraine geschehen ist.

Das Buch selbst beginnt mit einem Kartenwerk über die UdSSR, über die Stadt Prypjat und über die Atomkraftanlange selbst. Für mich ein Pluspunkt, so konnte ich mir jegliche Dinge, die im Buch angesprochen wurden, jederzeit vor Augen führen.

Auf den folgenden Seiten wird für den Leser eine Liste beteiligter Personen zur Verfügung gestellt, diese ist zu dem in Überschriften, wie Belegschaft, Feuerwehrleute, Regierung usw. unterteilt. Aufgrund der häufigen Ähnlichkeit der Namen meiner Meinung nach ein weiterer Pluspunkt, den so ein Sachbuch mit sich bringt.

Wie erhofft beginnen die Schilderungen über diese Katastrophennacht lediglich einen Tag vor dem Unfall, heißt am 25. April 1986. 

Zu einem Sachbuch gehören auch eine ordentliche Menge an Informationen und wer sich mit dem Thema Reaktorunfall beschäftigt, der muss damit rechnen, dass Begriffe aus der Physik und der Chemie hier auftauchen. Der Autor versucht verständlich zu erklären, wie Atome, Neutronen und die ganzen chemischen Elemente in einem Reaktor(kern) funktionieren und sich teilweise animieren. Da ich in diesen beiden Bereichen der Wissenschaft wirklich keine Koryphäe war bzw. bin, habe ich es zum Teil verstanden, ein anderer Teil war zu hoch für meine Verhältnisse^^ Dennoch gehört es in solch ein Buch hinein. 

Spannend, Luft raubend und schrecklich wurde es dann in der Nacht des 26. April 1986, die Nacht des GAU's. Das GAU die Abkürzung für "größer anzunehmender Unfall" ist, war mir vor dem Lesen dieses Buches übrigens nicht bekannt. Wieder etwas dazu gelernt. Denn an dem Begriff kommt man bei dem Thema Tschernobyl absolut nicht vorbei.

Da ich den Ablauf der Nacht, die vielen Fehler und negativen Verkettungen hier nicht chronologisch für euch aufführen möchte, gehe ich in meiner Rezension lediglich noch auf die Dinge ein, die mir besonders in Erinnerung bleiben und die Dinge, die zu meiner abschließenden Bewertung geführt haben.

Bilder, die sich wirklich in mein Gehirn gebrannt haben, sind die Szenen, in denen Verletzungen, körperliche Prozesse oder auch Situationen im Krankenhaus beschrieben werden. Strahlung ist eine unsichtbare Gefahr und der Autor versucht im Buch immer wieder mit Werten und Einheiten zu arbeiten. Wenn dann ein Vergleichswert normaler Strahlung ins Verhältnis gesetzt wird, lässt es einem den Mund offen stehen.

Ich glaube niemand kann sich im Nachhinein vorstellen, in welcher großer Gefahr sich die Mitarbeiter und Helfer befanden, die in jener Nacht vor Ort waren. 

Die Folgen reichen meiner Meinung nach bis in unsere heutige Zeit. 

Mit dem Bau des Kernkraftwerkes Tschernobyls wurde zeitgleich eine Stadt namens Prypjat gebaut, welche vor allem den Mitarbeitern und deren Familien ein Wohnen in der Nähe ermöglichen sollte. Vor allem die Bilder der Stadt nach dem GAU sind vielen von euch mit Sicherheit bekannt.

© Google

(im rechten Bild sieht man, wie diese evakuierte Stadt von der Natur zurückerobert wurde)

"Trotzdem gaben sich die Behörden immer noch der Illusion hin, die Stadt sei nicht tot, sie schlafe nur und würde eines Tages von den Schritten ihrer wiederkehrenden Bevölkerung geweckt." 

(S. 377)

Beim Lesen war ich in vielerlei Hinsicht immer wieder in Versuchung gewisse Personen oder auch erwähnte Dinge im Internet zu googlen. Ein weiteres Bild, welches sich in meinen Kopf förmlich eingebrannt hat, ist der "Rote Wald".

© Google

(hier war die Strahlung so doch, dass sich die Kiefern rot-braun verfärbt haben)

Ebenfalls interessant war es, zu verfolgen, was aus dem betroffenen Menschen wurde. Im Buch erfährt man spätestens am Ende, was aus ehemaligen Mitarbeitern, Feuerwehrleuten o.ä. geworden ist. Es gab nicht nur Leid, aber dennoch viel Leid.

"Insgesamt umfassten die kontaminierten Bereich im Nordwesten der Ukraine und im südlichen Weißrussland 2005 ein Gebiet von über 4700 Quadratkilometern, die aufgrund der Strahlung offiziell unbewohnbar geworden waren." (S. 424)

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Dass dieses Werk von mir nur 4 Sterne bekommt, liegt an den politischen Einzügen. 
Auch diese gehören wie die physikalischen und chemischen Themen einfach dazu, brachten für mich aber einige Längen mit sich. Dass die Politik der UdSSR damals sehr auf Verschleierung und Geheimhaltung ausgerichtet war, hat mich hierbei wieder mal am meisten schockiert. Aber diese Dinge sind nicht mehr rückgängig zu machen. Zu hoffen bleibt nur, dass solch ein Unfall nie wieder passieren wird.

"Es lässt sich also definitiv sagen, erklärte er vor den Delegierten, dass der Unfall in Tschernobyl keinerlei Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat." (S. 392)

Fazit

Ein Sachbuch, welches eigentlich nur über einen Tag der Menschengeschichte spricht und dennoch so weitreichende Folgen mit sich gezogen hat. Mir haben die Informationen und die beschriebenen Abläufe im Reaktor, wie auch drum herum sehr gut gefallen.

Das Thema Schuld wird hier immer im Ungewissen bleiben. 

Meiner Meinung nach ist es eine Verkettung vieler falsch getroffenen Entscheidungen.

Wer sich die Geschichte gern visuell vor Augen führen mag bzw. kann, dem kann ich nur die Serie Chernobyl empfehlen, welche leider nur auf Sky zu gucken ist.

Ich habe mir damals vor Jahren einen Monat Sky gegönnt, um sie gucken zu können und hatte dank ihr beim Lesen gleich wieder bestimmte Szenen sehr gut vor Augen.

Weitere Meinungen zum Buch

Zeit für neue Genres

Der Autor

Adam Higginbotham hat mit großer Hingabe und Genauigkeit über zehn Jahre zu dem Unfall in Tschernobyl geforscht. Er hat Zugang zu Archiven bekommen, die bisher verschlossen waren, und über hundert Stunden Interviews geführt mit Männern und Frauen, die die Katastrophe hautnah miterlebt haben. Adam Higginbotham schreibt für »The New Yorker«, »The New York Times Magazine«, »Wired«, »GQ«, und »Smithsonian«. Zuvor war er US-Korrespondent für »The Sunday Telegraph Magazine« sowie Chefredakteur von »The Face«. Er lebt mit seiner Familie in New York City.

Weitere Bücher zur Tschernobylkatastrophe, die ich bereits gelesen habe