Autorin: Swetlana Alexijewitsch
Verlag: Piper
Seitenanzahl: 288 Seiten
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Inhaltsangabe
Swetlana Alexijewitsch wurde bekannt durch die
Dokumentation menschlicher Schicksale und gilt als wichtigste Zeitzeugin der
postsowjetischen Gesellschaft. Über viele Jahre hat sie mit Menschen
gesprochen, für die die Katastrophe von Tschernobyl zum zentralen Ereignis
ihres Lebens wurde. Entstanden sind eindringliche psychologische Porträts, die
ungeheure Nähe zu den Betroffenen aufbauen und von höchster Sensibilität und
journalistischer Perfektion zeugen.
(Quelle: Piper)
Bewertung
Zu Beginn wusste ich wirklich nicht wohin mich
dieses Buch führen wird, aber am Inhaltsverzeichnis erkannte ich, dass dieses
Buch eine Art Interview darstellt, denn die einzelnen Kapitel beginnen mit „Monolog
über…“. Und mit der Vermutung, dass Zeitzeugen der Autorin Alexijewitsch ihre
Geschichten erzählen, lag ich dann ganz richtig.
Da die Autorin bereits im Klappentext drauf
verweist, dass es hier nicht spezifisch um die Reaktorkatastrophe geht, fand
ich es trotzdem sehr gut und auch angebracht, dass der Leser zu Beginn noch mal
ein paar Fakten erfährt, bevor die Monologe beginnen.
Für mich die wichtigsten Fakten waren:
26.04.1986 um 1.23 Uhr, ein Tag, der vielerlei
Leben zerstörte bzw. veränderte.
Und die schreckliche Wahrheit der Folgen.
„Vor
Tschernobyl kamen auf 100000 Einwohner Weißrußlands 82 Fälle von
Krebserkrankungen. Heute meldet die Statistik: 6000 Krebskranke auf 100000
Einwohner. Eine 74fache Erhöhung.“ (S. 15)
(und diese Zahlen beziehen sich nur auf
Weißrußland, schrecklich. Ich musste also auf S. 15 schon einmal mächtig
schlucken!)
Weil es wirklich schwer ist, hier auf den Punkt zu
kommen, versuche ich es so, wer dieses Buch in die Hand nimmt, den erwarten
mehrere solche Momente, dass man es einfach nicht fassen kann. Man kommt
mächtig ins Grübeln und zum Nachdenken über das eigene Leben, die Gesundheit
und über unsere Umwelt. Denn bereits am 29.04.1986 konnte in Deutschland eine
hohe Strahlenbelastung festgestellt werden, nur 3 Tage später!
An diesem Buch haben sich sehr viele Zeitzeugen,
damalige Arbeiter, Ortsansässige, Evakuierte, Rückkehrer usw. beteiligt und
wollten zusammen mit der Autorin eine Erinnerung erschaffen.
„Ihre
Eile war berechtigt – viele von ihnen leben nicht mehr. Aber sie konnten noch
ein Signal senden.“ (S. 43)
Es ist natürlich auch irgendwie ein Sachbuch und
auch ich musste Herrn Google befragen, vor allem das Thema der physikalischen
Einheit Röntgen, Curie und Rem waren mir unbekannt und ich wollte mit den im
Buch genannten Zahlen etwas anfangen können.
Was macht die Radioaktivität mit dem
Menschen bzw. mit den Tieren:
Wie ihr seht, die Folgen sind mehr als drastisch
und dramatisch.
Um diesen Folgen bei Kindern zu entgehen, trieben
allein im Jahr 1993 allein in Weißrußland 2000 Frauen ihre Kinder ab.
Wirklich am sprachlosesten an diesem Buch machen
mich die Unwissenheit der Einwohner und der Informationsmangel bzw. die
falschen Informationen, die die Einwohner Weißrußlands damals bekamen. Bereits
Kinder lernen in der Schule, dass Atomkrafwerke „märchenhafte Farbriken“ sind.
Wie gefährlich die Reaktoren sind, zeigt uns dieses Ereignis hingegen sehr
deutlich.
Zitate,
die dieses Buch lesenswert machen:
„Der
Tod lauerte überall, aber dieser Tod war irgendwie anders.“
(S. 44)
„Nichts
davon war brauchbar; Augen, Ohren und Hände taugen nicht, waren keine Hilfe,
denn Radioaktivität ist unsichtbar, lautlos und ohne Geschmack. Körperlos.“ (S.
44)
Und
auch die Menschlichkeit ging verloren.
„Nicht
nahe herangehen! Nicht küssen! Nicht streicheln! Das ist nicht mehr der
geliebte Mensch, er ist ein verseuchtes Objekt.“ (S. 49)
(Ein Arzt zu einer Frau, deren Mann im Krankenhaus
liegt)
„Papa,
ich möchte leben, ich bin doch noch so klein.“ (S. 66)
„…in
der Zone sind viele Haustiere zurückgeblieben, Katzen, Hunde…Die müssen
abgeschossen werde, um Seuchen zu verhüten.“ (S. 128)
(vor allem die Tiere taten mir hier unheimlich leid,
denn die Menschen konnten sich gegen die Evakuierung wehren, die Tiere hatten
keine Wahl!)
Fazit
Ein Buch, welches mich mehr als beeindruckt. Jedoch
ist es ein Buch ohne Happy-End. Ich bin mitgenommen und schockiert, wie mit
dieser Katastrophe und den daraus resultierenden Folgen, mit den Menschen und
den Tieren umgegangen wurde.
Im Atomkraftwerk ist lediglich ein Reaktor
explodiert, drei weitere hätten explodieren können, was das für Auswirkungen
gehabt hätte, darüber möchte ich gar nicht nachdenken.
Großen Dank an die Autorin und auch an die
Menschen, die dieses Buch möglich gemacht haben.
Einen Punkt Abzug bekommt dieses Buch, weil mir
hier das visuelle zu kurz gekommen ist. Einerseits lege ich viel Wert auf
Bilder bei solchen Themen, andererseits wäre dadurch vielleicht das Augenmerk
zu sehr auf das Ereignis gefallen, es sollte ja um die Menschen gehen.
Trotzdem eine absolute Leseempfehlung für alle,
die mental mit diesem Thema umgehen können.
Zur
Autorin
Swetlana
Alexijewitsch, 1948 in der Ukraine geboren, ist
eine der wichtigsten Zeitzeugen der postsowjetischen Gesellschaft. Ihre Bücher
wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kurt-Tucholsky-Preis des
schwedischen PEN, mit dem Triumph-Preis für Kunst und Literatur Russlands und
mit dem Friedenspreis
des Deutschen Buchhandels.
Vielen Dank für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares an
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